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Leipzig hat in Dortmund verloren. Aber die Niederlage ist momentan kaum ein Thema. Sicherlich ärgerlich, da das Ausgleichstor am Ende nur knapp als Abseits definiert wurde, jedoch durchaus verständlich bei so vielen Ausfällen.
Dagegen beschäftigen eher die Ereignisse neben dem Platz die Diskussionen. Dazu führte das Beinahe-Tor von Palacios zu einigen Fragen.
Von jenen die sich aufmachten, Kartenhäuser zu bauen
"Warum?", scheint die ausschlaggebende Frage bei der ganzen Berichterstattung um die Ausschreitungen beim Spiel in Dortmund zu sein. Wer mindestens einmal zugehört hat, wie sich Fans unterhalten, die bei Fußballspielen regelmäßig nach körperlicher Auseinandersetzung gieren, dürfte sich diese Frage jedoch kaum stellen. Diejenigen sind so tief in Ihrer eigenen Welt vergraben, dass keine Logik der Realität wirklich greift. Wo Konsequenzen ein unwichtiger Gedanke weit am Horizont sind und Zusammenhänge nur noch störendes Beiwerk, dort herrscht nur noch ein fast schon kindlicher Gedanke an einen Kampf von Gut und Böse.
Dabei hat man sich die Jahre über ein Gedankenbild um eben jenes Böse erbaut, das keiner Überprüfung standhält. Schon in den kleineren Ligen war klar ersichtlich, das vieles an Argumenten, das man RB Leipzig entgegen warf, nichts weiter war als ein Kartenhaus, das spätestens dann in sich zusammenfallen würde, wenn die Mehrheit einen Blick auf den Verein werfen konnte. "Die will doch niemand sehen", passt eben schlecht zu hohen Einschaltquoten. "Die haben doch keine Fans", versagte schon an den Rekordzuschauerzahlen in den letzten Jahren und auch das schnell dazugebastelte Argument, das dort nur Auswärtsfahrer zählen, hält Tausenden Auswärtsfahrern in Leipzig nun einmal nicht stand. Blieb noch das Schimpfen darauf, dass Vereine mit Investoren ja keine Stimmung im Stadion hätten. Doch wer einmal die Stimmung erlebt hat, einmal den Support der Leipziger ob zu Hause oder auswärts sah oder hörte, den ist schwerlich zu vermitteln wo da nun ein Problem sein soll.
Wenn man nun den Banneroverkill der Dortmunder sieht und erkennt, dass dort überhaupt nichts mehr enthalten ist, was irgendeinen Unterschied oder einem Argument gleichkommt, sondern nur noch eine generelle Abneigung nach außen schreit, der sieht, wie weit das Kartenhaus um den angeblichen "Klassenfeind" schon in sich zusammengefallen ist.
Doch wie gesagt, dort wo nur noch Gut gegen Böse zählt, bedarf es keiner Argumentation. Wo man wirklich glaubt, man bräuchte nur den Gegner zu besiegen und die Welt würde besser, dort greift man dann halt zur plumpen Gewalt.
Natürlich ohne sich bewusst zu sein, dass man damit eher die Gegenseite stärkt. Denn natürlich stärken solche Ereignisse den Zusammenhalt der Fanbase und natürlich treiben Sie Leipzig neue Fans zu. Denn gerade bei noch Unentschlossenen erzeugen sie einen "Jetzt erst recht!" Effekt und bei vielen natürlich Sympathiepunkte. Noch kurioser ist allerdings, das die ganze Abneigung, die dem Verein seit Anbeginn entgegenschlägt, sogar unserem Image einen Gegenpol liefert. Neue Dinge haben immer einen sehr glatt polierten Charakter. Und so startet auch ein Fußballverein anfangs, gerade wenn er sich modern aufstellt, natürlich mit einem schwer nahbaren Charakter, der erst mit der Zeit geformt werden kann. Doch gerade durch den Gegenwind wurde daraus schnell etwas Emotionales. Dazu kommt, das jenes, was für den einen böse ist, für den anderen eine Art Bad Boy Image wird. Passend dazu las ich mal auf einer Diskussionsplattform, auf der sich eben jenes Klientel aller möglichen Vereine trifft, das RB Leipzig am stärksten ablehnt vor einiger Zeit einmal einen Kommentar. Der Autor, scheinbar fast schon verzweifelt darüber, das sich selbst in seinem Umfeld Sympathisanten für RB Leipzig herausbildeten, befand: "Man macht die Leipziger ja mittlerweile schon zu einer Art verbotenen Frucht. Und die schmecken bekanntlich umso besser".
Der Nachwuchs, das ewige Thema
Der Einsatz von Palacios beim Spiel in Dortmund, kam sicherlich selbst für ihn überraschend. Dann auch noch beinahe das entscheidende Tor zu machen, ist schon eine der seltsamen Geschichten, die der Fußball so schreibt. Was wäre es für eine Story gewesen, wenn das Tor gezählt hätte? Das große Dortmund, abgeschossen von einem Nachwuchsspieler, der sonst in der 4. Liga kickt.
Wie wir wissen, kam es leider nicht dazu. Um Zentimeter befand er sich im Abseits und somit bleibt es bei einem der seltenen Einsätze von Jugendspielern im Kader der 1. Mannschaft. Und ja, Palacios ist natürlich kein komplett unbeschriebenes Blatt, hatte in der Saison 2014/15 schon 2 Kurzeinsätze in Liga zwei. Und doch scheint dieses Beinahe-Tor unserer aktuellen Kaderpolitik den Spiegel vorzuhalten. Oft diskutiert man unter den Fans ja darüber, ob denn Jugendspieler bei solch einem großen Sprung, entweder aus der Junioren Bundesliga oder der Regionalliga im Männerbereich überhaupt direkt eine Verstärkung wären. Ob diese nicht erst lang bräuchten, um sich im neuen Wirkungsbereich zurecht zu finden.
Wenn der Kurzeinsatz von Palacios am Wochenende eines gezeigt hat, dann das dies auch direkt funktionieren kann. Vielleicht nicht in der Stammelf, aber doch in einer Jokerrolle von der Bank. Nun hat man in früheren Jahren noch andere Möglichkeiten gehabt. Gestandene Spieler mit Formproblemen oder nach Verletzungen wurden erst einmal in die U23 geschickt, woraus man Freiräume, zumindest auf der Bank hätte schaffen können. Doch wir spielen nun in einen Bereich, wo dies nicht mehr so einfach möglich ist. Man kann keinen Spieler, den man für Millionen einkauft und dessen Hauptwechselgrund wohl jener ist, sich schnellstens in die Startelf zu spielen, in die 4. deutsche Liga zurückversetzen. Zumindest nicht, ohne ihm einen perspektivischen Tiefschlag zu verpassen, von dem er sich, zumindest hier in Leipzig, vielleicht nie wieder erholt. Andere Vereine setzen Spieler schon einmal gern auf die Tribüne, doch gerade wenn es um Talente geht, wird auch dieses Abstellgleis nicht gerade dazu beitragen, den Spieler stärker an den Verein zu binden oder zur Motivation beizutragen.
Nein, man muss irgendeine Möglichkeit finden, Jugendspieler einzusetzen, ohne den großen Verdrängungswettbewerb im Kader aufzumachen. Eine Lösung wäre vielleicht, in der Kaderplanung einen Bankplatz gedanklich für einen (oder zwei?), durchaus wechselnde, Jugendspieler vorzuhalten. Einen Platz, um den die Jugendspieler nur gegeneinander fighten und dort nicht den nächsten Top Transfer verdrängen, der es gerade nicht in die Stammelf schafft. Eine weitere Idee ergäbe sich vielleicht bei einem größeren Kader, wo man eine höhere Fluktuation auf einigen Bankplätzen schaffen könnte, in die man ein paar Jugendspieler mit einfließen lässt. Ist der Kader groß genug und finden sich immer mehrere Spieler wechselnd auf der Tribüne wieder, könnte man vielleicht die Demotivation derer in Grenzen halten.
Persönlich würde ich mir wünschen, dass man Palacios in den nächsten Spielen mit noch einem weiteren Jokereinsatz belohnt, doch bei der Kaderdichte wird dies wohl eher schwierig sein.