50+1, die Geißel der Bundesliga?

Sonntag, 29. Januar 2017

Seit RB Leipzig in die 1. Bundesliga aufgestiegen ist, debattiert man um die 50+1 Regel heißer als jemals zuvor. "Schafft endlich die 50+1 Regel ab", titelte die Bild Zeitung zuletzt für einen Kommentar zu diesem Thema, auch im Doppelpass auf Sport1 finden immer mehr Experten 50+1 vereinfacht gesagt: "doof".

Die polierte Kristallkugel

In einem scheinen sich dabei alle einig, ohne 50+1 geht es der ganzen Liga auf einen Schlag besser. Schließlich halten nur die bösen Fans die ganzen Investoren davon ab, die Bundesliga zu stürmen. Nicht das es darauf irgendeinen Hinweis gäbe. Nicht das es nicht viele Vereine gäbe, die es nicht einmal schaffen 10% an Anteilen zu verkaufen.

"Das liegt nur an den nicht gesicherten Investitionen", würden wohl die Verfechter der Abschaffung antworten. Wie viele Investoren oder Großsponsoren wurden eigentlich schon von Mitgliederversammlungen aus Ihren Positionen verjagt, das bei diesen weltweit die Angst umgeht? Mal ganz davon abgesehen, das es selbst für einen Verein mit mind. 51% der Stimmrechte rechtlich nicht ganz so einfach ist, langfristige Verträge zu brechen, falls diese keinen generellen Ausstieg zu jeder Zeit regeln.

Darüber hinaus muss man sich auch durchaus die Frage stellen, wie interessant die Bundesliga überhaupt für Investoren ist. Sportinvestments sind kein Selbstläufer. Einen reinen Werbeeffekt bekommt man auch als Sponsor, dafür muss man sich nicht den Aufwand ans Bein binden. Es spricht vor allem Menschen oder Unternehmen an, die entweder einen Bezug zum jeweiligen Verein haben oder meinen die Struktur besser handhaben zu können, vielleicht sogar zu müssen, als die jeweiligen Entscheider. All dies lohnt sich kaum für kurzfristige Ziele. Erst wer einen langfristigen Plan hat, für den summieren sich überhaupt die Risiken der Investition.

Nun hat die Bundesliga jedoch schon eine 20 Jahre Ausnahme, nachdem man Mehrheiten übernehmen kann, scheinbar gibt es extrem wenige Investoren, die sich für eine solche Laufzeit interessieren.

Nein, man kann die Kristallkugel noch so lang polieren, es würde keine solch strahlende Zukunft daraus, wie man gern möchte. Man mag noch so gern neidisch auf die Gelder in der Premier League schauen, aber die Strahlkraft dieser erreicht die Bundesliga eben gerade international nicht, trotz der Tatsache, dass der sportliche Erfolg der Vereine von der Insel in der Breite nicht wirklich in einem Verhältnis zu den eingesetzten Geldern zu stehen scheint.

Fans, der Klotz am Bein

Kommen wir einmal zu dem eigentlichen Sinn der 50+1 Regel. Nicht dem Sinn auf dem Papier, die notwendigen Auslagerungen der Profiabteilungen an die e.V zu binden, sondern das, was man gemeinhin damit verbindet, Mitbestimmung.

Nun ist des Vereinskonzept in Deutschland sicherlich sehr ungünstig für Profivereine. Die ganze Eigenheit der Selbstverwaltung ist primär dafür vorgesehen das sich eine begrenzte Gruppe von Menschen mit irgendeinem gleichen Interesse organisiert und für Entscheidungen trifft. Als das Ganze rechtlich definiert wurde, hat sicherlich niemand damit gerechnet, dass jemand 200.000 Mitglieder rund um den Globus hat, um sich dann mit 1% zu treffen und über Mehrheitsbeteiligungen, auf Entscheidungen eines Unternehmens mit Millionen Umsetzen einwirkt.

Trotzdem ist die Möglichkeit momentan eine Alternativlose. Fällt 50+1 existiert in den ausgelagerten Unternehmen keinerlei Ersatz für diesen Einfluss. Schön für die Unternehmen, mindestens ungünstig für die Fans. Man könnte nun einwenden, das es bei RB Leipzig, durchaus auch ohne dieses funktioniert. Probleme werden in der Kommunikation geklärt, da beide Seiten an einer Lösung interessiert sind. Doch trifft das nun auf alle Vereine zu? Hat wirklich jeder der Vereinsverantwortlichen oder der späteren Investoren dann ein Interesse an Kompromissen? So einfach lässt sich das nicht sagen. Denn natürlich hängt es auch daran, wie ähnlich oder gegensätzlich die Interessen der beiden Seiten sind.

Gäbe es denn überhaupt eine Alternative? Zumindest gelten für die ausgelagerten Fußballunternehmen keine rechtlichen Sonderbedingungen. Sie agieren in einem Markt, an dem der Staat durchaus ein gesondertes Interesse hat. Bei dem Bundesländer oder Städte schon auch gern mal rechnerische Kunststücke vollziehen, um einen ins Schwanken geratenen Fußballverein über Wasser zu halten. Man bezeichnet die Wirtschaft nun gern als frei, aber natürlich stellt der Staat durchaus an einige Branchen ziemlich hohe Anforderungen. Möglich wären solche "Regeln" sicher auch für den Fußball. Das Problem, weder Vereine noch Verbände werden darauf drängen Ihre so schön "funktionierende" Selbstverwaltung von außen reglementieren zu lassen.

Warum nicht schon jetzt

Vielleicht sagt der ein oder andere jetzt immer noch "Nein, ohne 50+1 wird alles besser".

Dann hätte ich für den Schluss noch etwas, über das jeder einmal kurz nachdenken sollte. Das Vereinskonzept von RB Leipzig reicht Red Bull und dürfte demnach auch für andere Investoren nicht abschreckend wirken. Jeder Verein könnte in seiner Mitgliederversammlung Änderungen beschließen, die das eigene Vereinskonzept ähnlich beschränken, wie dies hier der Fall ist.

"Es wird sich doch niemand selbst die Rechte nehmen", denkt jetzt vielleicht der ein oder andere. Dummerweise entfallen die 51% Stimmrechte nicht automatisch durch den Wegfall der 50+1 Regel. Weniger als 51% Stimmrechte sind für die Mitglieder nahezu irrelevant. Selbst eine Gruppe aus mehreren Investoren würden sich kaum auf die Entscheidung der Vereinsmitglieder verlassen. Leider müsste der Verein, in dem Fall wieder die Mitgliederversammlung in diesem Fall ebenfalls darüber befinden, ihre Stimmrechte an einem Investor zu übertragen, denn ansonsten fällt man nun einmal nicht unter 51%.

Denkt einmal drüber nach.

Neues Jahr, neues Glück

Montag, 2. Januar 2017


©Red Bull GmbH and GEPA pictures GmbH

2016 war ein gutes Jahr für RB Leipzig Fans. Der Aufstieg in die 1. Bundesliga sicherlich das Highlight, aber gerade die Halbserie, war, auch wenn das Frankfurt Spiel noch aussteht, im Mindesten interessant. Zeit demnach, ein paar Themen zu kommentieren.

Die 1. Bundesliga

Ich schrieb in meiner Saisonvorschau, dass dieses Jahr auch ein Test für die Stärke der Liga wird. Folgt man dieser Betrachtungsweise, hat in der Hinrunde nur Bayern München den Test mit Bestnote bestanden. Man muss sich bei der Erfolgsgeschichte in dieser Saison immer wieder von den fast schon hyperventilierenden Medienhype lösen, der zumindest bis zum Bayern Spiel herrschte. In diesen könnte man denken RB Leipzig würde schon endlose Jahre Bundesliga spielen, der Kader wäre vollgepackt mit Stars und es wäre der Gipfel des Machbaren. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. 

Unter den Transfers vor Beginn der Saison befinden sich gerade mit Keita und Werner sicherlich Spieler, die für Furore sorgten, doch die Kaderzusammenstellung hat eher etwas von einem langsamen Herantasten an die neuen Aufgaben. Der Verein beginnt in allen Bereichen erst seinen Weg und ist sicher weit entfernt von dem, was man sportlich auf die Beine stellen könnte.

Umso erstaunlicher, dass wir so durch die Liga fegten. Zumindest dann erstaunlich, wenn man nicht wie ich ein Verfechter der These ist, das die Liga sich gern stärker gibt, als Sie eigentlich ist. In der Breite ist das Leistungsspektrum riesig und die Dominanz der Bayern in den letzten Jahren ist eben auch darin geschuldet, dass die nicht wenige Vereine der Liga eher durch Chaos oder zumindest Stagnation glänzten als durch irgendeine Weiterentwicklung.

Das Bayern Spiel 

Jeden Hype holt irgendwann die Realität ein und zumindest hinsichtlich der öffentlichen Wahrnehmung passierte dieser Crash beim Spiel in der Allianz Arena. Dieses Herbeischreien des Leipziger Meistertitels endete und in den Schlagzeilen dominierte sofort wieder die Stärke von Bayern München.

Abseits davon war das Spiel weniger dramatisch. Man versuchte danach ja krampfhaft, den Münchenern irgendeine besondere Anti RB Leipzig Taktik einzureden, doch diese existierte nicht. Ancelotti machte schlicht etwas, was wir selbst in früheren Ligen bei Top Spielen auch gern einmal taten. Einfach das Gottvertrauen auf die individuelle Qualität in Schlüsselpositionen. Es waren keine ausgefeilten Spielzüge, kein kompliziertes rotieren des Balles. Man gewann die wichtigen Zweikämpfe und brauchte damit all dies nicht.

Ist die Meisterschaft damit entschieden? Sicherlich nicht. Die Meisterschaft wird sich eher darin entscheiden, wessen Performance in den restlichen Spielen besser ist. Aber auch wenn ein Erfolg nie zu früh kommen kann, es gibt in dieser Saison sicherlich wichtigere Ziele. Doch dazu später.

Zum Spiel ist wenig zu sagen. Nachdem die Duelle an den Schlüsselstellen verloren gingen und sehr einfache Spielzüge damit sehr gefährlich wurden, sank das Vertrauen der jungen Spieler in den Keller. So weit, das man sich selbst in aussichtsreichen Situationen kaum mehr traute den Ball nach vorn zu spielen. Vielleicht ist das die entscheidende Frage nach diesem Spiel. Ob man für Spiele, in denen einmal nichts so funktioniert wie es müsste, nicht eine Achse aus Spielern braucht, die den Rest auffängt und nach vorn peitscht. Wobei wir dann wieder beim Thema "Erfahrung" wären. Denn ohne diese wird es schwer, sich in solchen Situationen nicht anstecken zu lassen.

Das Stadion

Eine der wichtigsten Entscheidungen in der Vereinsgeschichte fiel dann noch kurz für Jahreswechsel. Die Gerüchteküche brodelte schon ein paar Wochen, das man versuchte eine Lösung für den Verbleib im Stadion zu finden und so kam es dann auch.

Sofern die Bauanfragen klappen, die Stadt dem Verkauf zustimmt und sämtliche Formalitäten durchgehen, ist der Traum sehr vieler RB Fans damit erfüllt.

Viel wurde über dieses Thema diskutiert und leider liefen die Diskussionen zuletzt in eine Richtung, das ein Verbleib von einer rein emotionalen Welle getragen wäre, doch dies ist falsch. Ja, an dem Stadion hängen Erinnerungen und ja, natürlich ist das alte Zentralstadion, in das die Red Bull Arena gebettet ist, auch ein geschichtsträchtiger Ort, an dem wiederum sicher einige Fans noch weitere Erinnerungen knüpfen können.

Für mich persönlich wäre ein Stadion im Norden der Stadt sicherlich logistisch ein Horror gewesen. Ich bin auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen und wer einmal versucht hat damit von Süden aus gen Messe oder noch schlimmer nach Schkeuditz zu fahren, wo auch Flächen gehandelt wurden, weiß das dies eine ziemliche Weltreise ist. Aber auch das wäre für mich nicht das Entscheidende gewesen, zählt dann halt als persönliches Pech.

Viel entscheidender ist die Tatsache, das wir momentan unmöglich auch nur ein halbwegs passendes Stadion bauen könnten. Es sagt sich immer leicht "da haben wir mehr Logen", aber die Anforderungen an ein Stadion sind weitaus höher. Man muss einfach bedenken, das ein jetziger Neubau sicherlich eine reine Minimallösung gewesen wäre. Erst einmal deswegen, weil es momentan nur über Red Bull zu finanzieren wäre, aber auch deswegen, weil überhaupt keine Erfahrungswerte existieren, die mehr zulassen. Wir spielen zum ersten Mal im Oberhaus des deutschen Fußballs, haben noch keinen Fuß in den internationalen Wettbewerb gesetzt. Egal wie gut ein Manager ist, alles Geplante wäre irgendwas zwischen Wunschtraum und Worst-Case-Vorstellung. Wir wissen nicht, wie sich die Fanbase entwickelt, wir wissen auch nicht, wie schnell sich sportlich wirklich an die Idealziele knüpfen lässt und wir wissen erst recht nicht, welche Anforderungen sich an das Stadionumfeld ergeben.

Erschwerend hinzu kommt sicher auch die Infrastruktur. Es lässt sich leicht sagen, das da dann eben die Stadt etwas hochzieht. Doch man bedenke einmal, wie wenig sich selbst um das Innenstadtstadion getan hat und das, obwohl dieser Standort für die Stadt quasi ideal ist und jede Änderung der Infrastruktur ja nicht nur dem Stadion zugute kommt. Wer glaubt da wirklich dran, das da große Bauprojekte außerhalb des Stadtkerns angestoßen werden, obwohl dies für die Stadt im Grunde herausgeschmissenes Geld wäre, das je nach Standort wenig bis gar keinen Nutzen für den Rest hat? Und bevor mir jemand mit der neuen Messe kommt, das Chaos bei stärker besuchten Messen dürfte allseits bekannt sein und da wollen keine rund 60000 Besucher auf einen Schlag nach Hause. Sehr eingeschränkter öffentlicher Nahverkehr und ein Mini Bahnhof, den ich mir nicht wirklich vorstellen möchte, wenn da auf einen Schlag eine große Menge auftaucht. Und die Autobahn? Man hätte wahrscheinlich schon nach wenigen Minuten einen Rückstau, der den Verkehr dort völlig zum Erliegen bringt.

Zum Glück müssen wir uns mit all dem nicht herumschlagen und können gespannt auf die ersten Ausbaupläne warten. Interessant wird nebenbei sicherlich auch, ob es zu den für die Kapazitätserhöhung und den Logenausbau nötigen Veränderungen auch optisch "Updates" gibt.

Die Restsaison und die Zukunft

Die Winterpause ist eingeläutet und diese ist ziemlich kurz. Trotzdem werden viele Fans inkl. mir wohl hoffen, das man von der Devise niemanden zu verpflichten doch noch abweicht. Sicherlich ist es finanziell eine gute Sache, auch für den Fall, dass man sich nächstes Jahr mit dem Financial Fair Play nächstes Jahr rumärgern müsste. Und sicherlich hat man im Sommer mehr Möglichkeiten für Transfers als jetzt.

Trotzdem ist das Risiko für die restliche Saison nicht gering. Man sieht an den Problemen in der Innenverteidigung, wie schnell man in Not kommen kann und dieser Mannschaftsteil ist sogar noch einer, der in der Breite durchaus einige Möglichkeiten hat. Ich möchte mir nicht ausmalen, wie es aussähe, wenn weiter vorn einer oder gar mehrere Schlüsselspieler ausfallen. Zumindest für die Breite wären Verstärkungen sicherlich nicht verkehrt und wenn es wie gewohnt Top Talente sind, wären die Ausgaben dafür wohl auch gut angelegt.

Um noch einmal auf die Ziele zurückzukommen. So lang wir noch nicht allzu viele Punkte hinter der Spitze liegen, wird das Schielen auf Platz 1 natürlich immer die Diskussionen beherrschen. Doch weitaus wichtiger ist der Einzug in die internationalen Wettbewerbe und das möglichst hoch. Ohne die Bundesliga schlecht reden zu wollen, aber erst dort wartet die große Bühne. Finanziell ist der internationale Fußball natürlich ein großer Sprung, wichtig aber auch hinsichtlich der Möglichkeiten bei Transfers und ein Imagefaktor, der wieder neue Türen für den Verein öffnet. 

Es ist entscheidend, das man weiterhin in Schritten denkt. Viele Fußballvereine hatten einmal ein gutes Jahr national und sind dann abgeschmiert. Einige davon haben sich nie wieder erholt. Wir stoßen nun in Regionen vor, wo es anders als die Gegner des Vereins vielleicht suggerieren wollen, nicht mehr so entscheidend ist, dass wir einen großen Hauptsponsor haben. Geld haben gerade international viele, die große Frage ist, was man daraus macht. Mal abgesehen davon, dass teils mit fast unvorstellbaren Summen um sich geworfen wird, die Red Bull sicher nicht allein geben würde (FFP Probleme außen vor). Die nächsten Aufgaben können nur sein, den internationalen Fußball zu erreichen und sich dort festzubeißen. Vielleicht auch schon dort ein paar Achtungserfolge zu erringen. Erst aus diesen Vorgehen bietet sich dann wiederum die Möglichkeit strukturell und finanziell aufzurüsten.

Blicken wir auf Anfang 2016 in Bezug auf RB Leipzig zurück, so kommt es einem fast vor wie eine andere Welt. Vielleicht ist es ja 2017 wieder ähnlich. Denn seien wir ehrlich, wir stehen trotz 1. Bundesliga erst am Anfang unserer Geschichte.