Saisonfazit 2016/17

Montag, 22. Mai 2017

@RedBull und Gepa-Pictures

Der Saisonverlauf

Eine furiose erste Bundesliga Saison liegt hinter uns. Sicherlich hätte ich vor der Saison durchaus auf das Erreichen der internationalen Plätze gewettet, allerdings wohl kaum direkt auf Platz 2. Das dieser Platz erreicht wurde lag natürlich an einer fast perfekten Hinrunde. 

Die Mannschaft schaffte es gerade bis zur Winterpause, das alle Rädchen perfekt ineinander griffen. War man nach dem Unentschieden gegen Hoffenheim noch skeptisch, was dieses nun wert war, überzeugten schon die folgenden Spiele gegen Dortmund und auswärts in Hamburg, das in der Saison einiges drin war. Man blieb zudem von kritischen Ausfällen weitestgehend verschont und konnte so von einem Sieg zum nächsten fliegen. Teilweise fragte man sich schon, wer Leipzig überhaupt noch stoppen sollte. Zumindest bis zum Bayern Spiel.

In der Allianz Arena wurde schnell klar, wie anfällig die Siegesserie war. Ein paar Schlüsselpositionen, die der Gegner dominierte und schon brach das schöne Spielsystem zusammen. Eine Mannschaft wie Bayern München konnte natürlich auch nicht überrascht sein, vom schnellen Spiel gegen den Ball, muss sich mit ihrem eher klassischen, Ballbesitz orientierten Spiel, gerade international immer mal wieder solchen Gegnern stellen. Die Niederlage stand im Grunde schon nach wenigen Minuten fest und hätte sicherlich auch höher ausfallen können.

Viel wurde in der Winterpause diskutiert, nicht wenige Fußball Experten waren der Meinung, RB Leipzig würde in der Rückrunde abstürzen und Dortmund noch locker an Ihnen vorbei ziehen. Wahrscheinlich können diese sich an solche Vorhersagen heute nicht mehr erinnern, denn es kam anders. Zwar war die Rückrunde wechselhaft, aber man konnte sich gegenüber der Konkurrenz um die Champions League Plätze behaupten, nur Bayern München zog davon. Rückwirkend betrachtet war es vielleicht auch nicht das Schlechteste, das man zuletzt nicht mehr nach vorn schielen musste, sondern sich nur noch auf die zwei Konkurrenten kümmern musste.

Das die Rückrunde nicht mehr so lief, lag sicherlich auch daran, dass diese Perfektion weit weniger zum Tragen kam. Und hatte ein Schlüsselspieler eine Schwächephase oder eine Taktik ging nicht auf, konnte man dies nur selten ausgleichen. Die Qualität in der Breite des Kaders fiel stark ab, etwas, was man sicherlich auch für die nächste Saison im Auge behalten wird. Alles in allem kann man mit der Saison natürlich mehr als zufrieden sein. Das große Ziel nach Erreichen der Bundesliga konnte nur der Einzug in die Champions League sein. Das dies direkt funktionierte, überstrahlt alles. Auch die nächste Begegnung mit Bayern München, über die wieder viel diskutiert wurde, vor allem wegen der Länge des Spiels. Ich bin zwar grundsätzlich der Meinung, dass die Regeln zur Nachspielzeit grundsätzlich überarbeitet werden sollten, da kaum noch eine Partei wirklich 90 Minuten oder knapp darüber geht, aber die Diskussionen zum Bayern Bonus sind trotz allem am Thema vorbei. Denn was dabei schnell untergeht, ist die Tatsache, das die Münchener eben auch noch die Qualität haben in der 96. Minute durchzupowern, während die jeweiligen Gegner schon ab der 85. auf den Abpfiff warten. Sicherlich auch der Tatsache geschuldet, das die Qualität der Bankspieler und damit die Wechselmöglichkeiten hochwertig sind.

Nicht vergessen werden dürfen natürlich ein paar Worte zum Trainer Ralph Hasenhüttl. Seit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga hatte ich den Eindruck, irgendwas fehlt in der sportlichen RB Leipzig Struktur. Die heißblütigsten Fans von Alexander Zorniger hatten das Gefühl vielleicht erst etwas später, nach dessen Abgang, doch es entlud sich damit im Endeffekt nur ein Konflikt. Alles was RB Leipzig bis dorthin geführt hatte, war Ergebnis des letzten großen Entwicklungssprungs von der Einbindung Ralf Rangnicks im Verein. Dieser verhalf Leipzig wie zuvor schon Salzburg zu einer völligen Neuorientierung und zur ersten, wirklich funktionierenden Struktur. Doch dieser Struktur schien für mich sportlich in höheren Gefilden etwas zu fehlen. Egal was fehlte, Ralph Hasenhüttl brachte es mit. Er machte aus dem Konzept und den Möglichkeiten, die Ralf Rangnick geschaffen hatte, eine Art Kunstwerk, bei dem man nun wirklich glauben kann, das es dauerhaft funktioniert. Variable Spielanlagen, realistische Kaderchancen und dazu eine Art, den Fußball nahbarer zu machen, als es seine Vorgänger konnten. Ein wahrer Glücksgriff für den Verein. 

Die Bundesliga

In meiner Vorschau sprach ich davon, das der Aufstieg von RB Leipzig auch ein Test für die Stärke der Bundesliga ist. Der Kader ist sicherlich noch weit davon entfernt dessen, was ein paar Jahre Bundesliga oder gar internationaler Fußball entstehen lassen könnten, man leistet sich einige ideelle Richtlinien, gerade mit der Jugendphilosophie.

Nun, wäre es ein Test gewesen, wäre die Bundesliga wohl durchgefallen. Eine Liga die sich gern als stärkste der Welt sieht und Bayern Münchens Höhenflug nur an dessen Stärke festmacht, ohne die Qualität des Rests zu hinterfragen, bekam vom Aufsteiger das Fürchten gelehrt. Sicherlich ist eine Saison nur eine Momentaufnahme und man kann schauen, wie die nächsten Jahre laufen. Wird der Kampf an der Spitze härter? Kann sich Leipzig permanent dort oben festbeißen? Doch als jemand, der die Liga in der Breite für weniger stark hält, als Sie sich gern gibt, sehe ich das vorerst als kleine Bestätigung meiner Vermutung.

Die Überraschungen

Sicher ist der Erfolg der Saison eine Mannschaftsleistung. Anders als Teile der Presse, die spätestens seit der Nominierung zur Nationalelf Diego Demme entdeckt haben, hatte ich allerdings nie Zweifel, das er eine starke Rolle in der 1. Bundesliga einnehmen kann. Genauso gibt es im Kader viele andere Spieler, deren Stärke für mich nie im Zweifel stand.

Am überraschendsten ist für mich allerdings die herausragende Stärke von 3 Spielern. Als Naby Keïta zu uns kam, war ich, nennen wir es skeptisch, ob er die Stärke aus der schwächeren österreichischen Bundesliga mit in die 1. Bundesliga hierzulande nehmen könnte. Wir hatten einige Top Transfers aus Salzburg und nur wenige schafften wirklich den Sprung in die Stammelf. Doch alle Zweifel waren unbegründet. Er ist nicht nur in der Liga angekommen oder hat sich in der Mannschaft festgesetzt, er ist auf seiner Position wohl auch einer der besten der Liga, vielleicht der Beste. Und das, obwohl man immer noch das Gefühl hat, da geht sogar noch mehr. Man kann nur hoffen, der Verein schafft es, die vielen, sicherlich hohen, Angebote auszuschlagen. Ich wäre sehr gespannt, wie sich Keita gegen die besten Mannschaften Europas in der Champions League schlagen würde.

Der Zweite im Bunde ist Emil Forsberg. Ja, er war auch letzte Saison in der 2. Bundesliga schon herausragend. Aber der Sprung, den er diese Saison noch einmal gemacht hat, war kaum vorauszusehen. Bester Vorlagengeber Europas, drittbester Scorer der Bundesliga, Wahnsinn. Sicherlich einer der wichtigsten Spieler der Saison, kaum wegzudenken aus der Mannschaft. Man kann froh sein, das Forsberg einen sehr langen Vertrag in Leipzig hat (2022), er ist durchaus ein Spieler, der zukünftig einer der erfahrener Eckpfeiler in der Mannschaft sein kann, die man dringend als Gegengewicht zu den sehr jungen Talenten braucht.

Der Dritte im Bunde für mich Timo Werner. Wenn man mich die letzten Jahre gefragt hätte, was der Mannschaft am meisten fehlt, hätte ich sicherlich gesagt: ein Knipser. Dieses Wort ist heutzutage zwar eher verpönt, da die Anforderungen auch an Stürmer, sehr komplex sind. Doch egal wie der Fußball sich nun weiterentwickelt, am Ende muss das Runde immer noch ins Eckige. Und auch wenn er hin und wieder auch noch eine Großchance nicht nutzt, einen Spieler mit einer solchen Gefährlichkeit im Abschluss hatten wir, wenn man die Stärke der Liga mit einbezieht, noch nie. Sicherlich liegt hinter Werner eine nicht immer leichte Saison. Immer noch zieht man sich an einer Schwalbe hoch, die im Fußball wahrscheinlich an jedem Spieltag irgendwo passiert. Allerdings war es auch klar, das sich die, nennen wir sie "Antis" etwas suchen, an dem sie sich nun auf Deutsch gesagt aufgeilen können. Wäre es nicht die Schwalbe gewesen, hätte man sicherlich irgendwann ein Tor gefunden, wo eine Mikroskopanalyse eines TV Standbilds eine Abseitsposition zeigt oder sonst etwas. Seine Antwort ist die beste, die man bringen kann, Leistung trotz allem Gegenwinds. Der nächste Schritt für ihn ist es sicherlich, es den Kritikern auf internationalem Parkett zu beweisen, vielleicht sogar in der Nationalmannschaft.

Die Fans

Sicherlich ein Thema, was ungern beurteilt wird, ist Fanentwicklung. Auf der einen Seite ist ersichtlich, das die Fanbase immer noch in gesundem Tempo wächst. Einigen kann so etwas natürlich nie schnell genug gehen. Vor wenigen Jahren noch mit 200 Fans irgendwo im Gästeblock, diskutiert man nun schon darüber, warum nicht am besten noch auf einen Schlag 10000 Leipziger nach Berlin fahren. Ich bin für solche Superlative ja weniger zu haben, aber der Ehrgeiz war wohl schon immer irgendwie unser Steckenpferd.

Auch positiv ist weiterhin, das wir die erste Saison ohne größere negative Dinge überlebt haben. Der Eindruck den die Fans im Stadion, ob zu Hause oder auswärts ist weiterhin positiv. Trotz aller Vorhersagen, das uns spätestens in der höchsten Spielklasse die negativen Einflüsse die Fanentwicklung übermannen, lebt man in Leipzig weiterhin im Stadion den Traum einer positiven und bunten Fanbase. Zudem wurde von den Fans natürlich auch wieder einiges auf die Beine gestellt, um die erste Saison zu zelebrieren. Es gab einige tolle Choreos und auch soziale Aktivitäten wie die Kleiderspende kamen wieder nicht zu kurz.

Das man es hier anders angehen möchte, zeigen auch die Ereignisse beim Auswärtsspiel in Dortmund. Man erinnert sich an die Provokationen und Angriffe von seitens einiger Gruppierungen auf die RB Fans. Der öffentliche Aufschrei ist sicherlich nur so möglich gewesen, weil seitens unserer Fans nicht darauf in gleicher Form geantwortet wurde. Bei so ziemlich jeden anderen Verein hätte es wohl zu Auseinandersetzungen geführt und die Medien hätten nicht mehr gefragt, wer angefangen hätte, sondern sich Krawallbilder herausgesucht und die üblichen Vorurteile zum Fußball bedient.

Kommen wir zu ein paar negativen Anmerkungen nach dem Positivem. Was im großem Stil funktioniert, ist im Kleinen natürlich schwer bis unmöglich kontrollierbar. Auch hier in Leipzig ist sicherlich ein Auge darauf zu werfen, das die Aggression kleinerer Gruppen gegen Fans des sportlichen Gegners steigt. Und nein, da komme jetzt niemand mit "das gehört zum Fußball" oder "das machen andere auch so". Es gibt viele positive Bilder der Saison, wo Fans nach dem Spiel mit jenen des Gegners zusammen gekommen sind, teils sogar gefeiert haben. Aber es gibt halt auch unschönere Begegnungen, wo Fans von RB Leipzig andere provozieren oder bedrängen. Entwicklungen, die man zumindest nicht ausblenden sollte, selbst wenn Sie noch weitaus kleiner sind als woanders. Persönlich finde ich auch solche Diskussionen wie Bayern Fans auf dem Fanfest eher deplatziert. Es war ein öffentliches Fest und keine Mitgliederversammlung. Wenn da welche dran interessiert sind nach dem Spiel noch ein wenig das Fest zu nutzen, steht es jedem offen. 

Ein großes Thema zum Ende hin sicherlich noch die "Politik" und das Stadion. Eine Frage, die früher oder später kommen musste, wie viel davon wollen wir haben? Es ist weniger die Grundsatzdebatte, die man gern als Totschlagargument daraus machen will. Viele gesellschaftliche Themen beeinflussen den Fußball, sind im Stadion präsent. Somit werden Sie auch immer Teil des Fußballs sein. Völlig trennbar ist Politik und Fußball deswegen nicht. Aber das ist auch nicht die eigentliche Frage. Die ist eher, wie viel politische Themen von außerhalb möchte man im Stadion haben. Ersichtlich war auf jeden Fall, das politische Debatten schwerlich mit nur einer Wortmeldung auskommen. Auf das Banner zum Interview des Red Bull Chefs folgte ein (allgemein gehaltenes) Banner gegen diese politische Äußerung. Bisher blieb es dabei. Politische Debatten heutzutage werden hochemotional geführt und lassen wenigen Raum für Kompromisse. Und umso kürzer der Diskussionsraum, umso mehr fehlen ihnen jegliche Grauzonen. Dies ist kein Ausschlusskriterium, aber das sollte man immer im Hinterkopf behalten, wenn man die Themen auswählt, zu denen man sich im Stadion äußern möchte. Mit Politik zu trennen ist einfach, zu vereinen danach meist schwierig. Wie gesagt, gibt es Themen, die im Fußball wichtig sind und für die man diese Risiken auf sich nehmen muss und sollte. Aber es ist sicherlich ebenfalls wichtig, die Themen dafür genau zu dosieren.

Uli Hoeness und die Champions League

Bleiben abschließend noch ein paar Worte zur Zukunft. Was erwartet uns in der Champions League. Müssen wir alles über den Haufen werfen, um dort zu bestehen? Groß in der Presse die Worte von Uli Hoeness, sinngemäß, dass man das Jugendkonzept ändern muss, um nicht unter zu gehen.

Zuerst einmal ist festzustellen, das man sich bei Bayern München überraschend viel mit Leipzig befasst. Vielleicht auch schon genervt über ständige Nachfragen von Reportern oder darüber, das man gerade in der Hinrunde medial einiges einstecken musste, scheint man nun gewillt klarzustellen, dass der Heilige Gral allem Fußballs in München steht.

Ich selbst bin für die langfristige Strategie auch nicht so ein Fan eines allzu jungen Kaders. Das jene Vereine in Europa sich dauerhaft in der Spitze festgesetzt haben, die eher auf erfahrenere Kader setzen ist sicherlich kein Zufall. Das die am höchsten gehandelten Stars im Fußballgeschäft alle keine 20 mehr sind, sicherlich ebenfalls nicht. 

Nun kommt das große ABER. Man ist in Leipzig sicherlich noch nicht an dem Punkt, wo es nur noch darum geht, langfristig zu den Top Vereinen Europas zu stoßen. Man will erste Erfolge erringen, sich festbeißen. Vielleicht auch einmal für eine Überraschungssaison in der Champions League sorgen. Und das geht immer, egal ob man nun langfristig schon aufgeschlossen hat oder eben nur eine perfekte Saison spielt. Ja, vielleicht geht man auch schnell unter, aber auch dies wäre sicherlich hilfreicher für die Entwicklung als gleich auf einen Schlag alles umzuwerfen.

Wichtiger wird sein, die Breite des Kaders wirklich qualitativ zu bestücken, denn wenn wir eines aus unserer Jugendphilosophie gelernt haben sollten, dann wohl, das junge Spieler auch schnell einmal ein Leistungstief bekommen können oder hoher Belastung schneller Tribut zollen. In dem Fall braucht man Möglichkeiten auf jeder Position reagieren zu können.






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